von Bogentrakt Team
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10. Dezember 2022
Um den nächsten berühmt-berüchtigten Häftling im Sennhof ranken sich zahlreiche Legenden und Mythen. Er wird auch als Bündner "Robin Hood" bezeichnet. Wir beleuchten Johann Stoffel. Vieles im Leben des "Stoffels", wie er unter Einheimischen nur genannt wurde, ist nur vom Hörensagen bekannt, das macht seine Geschichte umso unterhaltsamer. Johann Stoffel wurde in ärmsten Verhältnissen 1899 in Vals geboren. Da seine Mutter nicht verheiratet war, stand seine Geburt damals schon unter einem schlechten Stern. Die Familie zog bald von Vals nach Zürich, wo dann auch seine Verbrecherkarriere begann. Er machte sich als Dieb einen Namen aber auch als Ein- und Ausbrecherkönig, der den Behörden und Polizisten gekonnt immer wieder ein Schnippchen schlug. Er stahl wohl vor allem, um sich seinen Lebensunterhalt finanzieren zu können, war er doch auch ein wenig ein Lebemann, der es genoss mit verschiedenen Liebschaften auf Reisen zu gehen und ihnen dabei wahlweise gestohlenen oder gekauften Schmuck zu schenken. Es gibt aber auch Berichte über seine Grosszügigkeit gegenüber den Armen. Er habe seine Beute den armen Kindern in Vals auch mal einfach so vor die Türe gelegt. Es entstanden Sagen und ein richtiger "Stoffel-Kult". Die Vergleiche mit Robin Hood waren also naheliegend. 1971 wurde denn sogar ein Kinderbuch über ihn geschrieben. Mehr oder weniger frei erfunden, entwendet der Stoffel darin nach seinem Ausbruch im Sennhof, die Kleider eines Geistlichen im Bischofssitz und beginnt damit, verkleidet als katholischer Pfarrer, seine Flucht in Richtung Bündner Oberland. Tatsächlich ist Stoffel auf dem Höhepunkt seiner Verbrecherkarriere zwei Mal aus dem Sennhof ausgebrochen. Und einmal sogar eingebrochen. 1929 gelang es ihm, in das Büro des Gefängnisdirektors einzubrechen und dort CHF 417.63, Briefmarken und einen Revolver zu stehlen. Der Einbruch ins Gefängnis überschüttete die Gefängnisleitung des Sennhofs natürlich schweizweit mit Spott und Hohn. Eine Anklagerede aus dem Jahr 1929 attestiert Stoffel insgesamt 18 Diebstähle in Graubünden allein. Schweizweit waren es noch einige mehr. Gewalt gegen Personen wendete er dabei nie an. Die meisten der Einbrüche gestand er bei Befragungen jeweils sofort. Nach seiner erneuten Inhaftierung 1931 gelang ihm die Resozialisierung und sogar der unternehmerische Erfolg. Er wurde Schneidermeister und besass danach eine florierende Uniformenfabrik, die unter anderem auch Polizeiuniformen schneiderte. Für weitere Geschichten zu Johann Stoffel empfehlen wir das Buch "Vom populären Dieb zum diplomierten Schneidermeister" von Jürg Simonett, welches auch diesem Blog-Beitrag als Quelle galt.